Immobilienmarkt
Vorsprung durch Bildung – Unternehmerrunde Nürnberg

Unternehmerrunde Nürnberg: Die Schubkraft der Hochschulen, das Lahmen des Büro- und Wohnungsmarkts
und Standorte mit Perspektive – darüber diskutieren acht Expertinnen und Experten.

Die Hochschul- und Forschungslandschaft der Metropolregion bietet große Perspektiven. Sie wächst und gedeiht, wozu etliche Neubau und Erweiterungsprojekte in Nürnberg und Erlangen beitragen. Und so zeigt sich Wolfgang P. Küspert, Geschäftsführer von Küspert & Küspert, zuversichtlich: „Was sich bei den Universitäten tut, wird sich auf Jahrzehnte hinaus positiv auswirken, Nachwuchs fördern, Arbeitsplätze schaffen und Kaufkraft sichern.“ Diese positiven Aussichten setzen den Akzent bei der Unternehmerrunde, ohne dass gleichzeitig die problematischen Aspekte der aktuellen Wirt- schaftslage ausgeblendet würden. Doch dazu später. Zunächst einmal zu den ganz konkreten Projekten, auf die Sven Sontowski, Geschäftsführer der Sontowski & Partner Group, hin- weist: „Die Ansiedlung der Technischen Universität in Lichtenreuth, der Neubau der Friedrich-Alexander-Universität in der Nordstadt, all das ist sehr wichtig.“ Für Bertram Schultze, geschäftsführender Gesellschafter von Coloured Fields, bedeutete dies zwar, dass sich die FAU gegen den Campus „Auf AEG“ entschieden hat, doch dort erweitert sich die Technische Hochschule Georg Simon Ohm, wie er erläutert: „Wir bauen für sie ein 12.000 Quadratmeter großes Forschungsgebäude.“ Für Hochschule und Forschung stehen auf dem Areal dann insgesamt 40.000 Quadratmeter zur Verfügung.

Drei wichtige Investitionsimpulse sieht Miguel Soto Palma, Direktor Immobilien, Kommunen und Institutionelle bei der Sparkasse Nürnberg, für die Region in den kommenden Jahren. An erste Stelle stehen technologisch getriebene Dienstleistungen, zum Beispiel im Bereich Elektromobilität. Die beiden weiteren sind: „Alles, was mit Nachhaltigkeit und Transformation zu tun hat, denn darin investieren alle Unternehmen; zudem gibt es eine große Nachfrage nach IT-Dienstleistungen, insbesondere Rechenzentren.“ „Hier schließt sich der Kreis zur Technischen Universität“, sagt Andreas Zeitler, Niederlassungsleiter Bayern von Instone Real Estate, zu den forschungsintensiven Unternehmen. Er unterstreicht, dass es eine Bewegung weg von München gebe, von der die Metropolregion profitiere. Die Gründe dafür: „In München gibt es kaum noch Gewerbeflächen oder Wohnraum, den man sich leisten kann.“

Das Homeoffice macht sich unerwartet stark bemerkbar

Büroraum ist in Nürnberg vorhanden, denn der Markt befindet sich momentan auf einer Durststrecke. „Die Zahl der Mietgesuche ist stark rückläufig, die Entscheidungszeiträume bei den Unternehmen steigen“, skizziert Wolfgang Küspert die Lage. Asmus Freiherr von Eyb, CEO von Pegasus Capital Partners, bestätigt dies: „Wir beobachten bei unseren Mietern, dass sie ihre gegebenenfalls auslaufenden Verträge jetzt lieber möglichst flexibel und kurzfristig verlängern und weitreichendere Entscheidungen erst treffen wollen, wenn sie wieder klarer sehen.“ Manche Unternehmen wollen ihre Flächen sogar um bis zu 50 Prozent verkleinern. „Ich habe nicht damit gerechnet, dass das Homeoffice sich so deutlich bemerkbar macht“, sagt Wolfgang P. Küspert. Dies führe dazu, dass sich ein wachsender „Schattenmarkt“ von Untermietflächen entwickle, sogar bei Büros, die von den Mietern noch gar nicht bezogen wurden. „Es vergeht keine Woche, in der wir nicht Flächen von Corporates unter diesem Aspekt ansehen.“ Zudem gebe es die Bereitschaft der Mieter, die Untervermietungen zu subventionieren. Küspert sieht rund 40.000 Quadratmeter an Untermiet-
flächen auf den Markt kommen: „Zehn bis 15 Prozent der Flächen, die momentan verfügbar sind, sind Untermietflächen.“
Die vorhandenen Mietgesuche haben sich laut Küspert deutlich verändert. „Die Themen ESG und Green Leases sind nicht allmählich, sondern von heute auf morgen auf dem Nürnberger Markt angekommen.“ Selbst Büros, die erst zehn Jahre alt sind, dürften deswegen Probleme bekommen. Auch bei den Lagen zeigt sich ein Umschwung: „Bei innerstädtischen Flächen ist die Nachfrage deutlich größer als in der Peripherie, wo der Leerstand wächst.“ Dennoch erwartet Küspert, dass die Spitzenmiete bis zum Jahr 2025 die Marke von „echten 20 Euro pro Quadratmeter“ erreicht. Was dann wiederum die Investoren freuen wird.

Ein Großgesuch wurde zurückgezogen

Ein peripherer Bürostandort mit Problemen ist der Nordostpark. „Bestandshalter sollten jetzt beginnen, über die Wünsche ihrer Mieter nachzudenken“, empfiehlt Küspert. „Wir erwarten dort auch keine Projektentwicklungen in nächster Zeit.“ Diese Aussage ist insofern interessant, als dass der Münchener Projektentwickler RT-Quadrat eine Liegenschaft akquiriert hatte zuzüglich einer Option für ein Grundstück mit 25.000 Quadratmetern Entwicklungspotenzial. Vor einem Jahr kündigte RT dann an, das Projekt zusammen mit Invester United Benefits aus Österreich umzusetzen. Schwierig dürfte es auch in Nürnberg-Moorenbrunn werden, darüber war sich die Runde einig. Dort hat Siemens seinen bis 2026 laufenden Mietvertrag gekündigt und wird die 2.200 Arbeitsplätze in den neuen Erlanger Campus verlagern. Erlangen wird davon profitieren. Und was ist mit den Flächen, die Siemens in der Erlanger Innenstadt freimacht? „Das wird unter anderem von der Universität besetzt, die hier das Zentrum für Geisteswissenschaften und ein Sprachenzentrum ansiedeln wird“, sagt Sven Sontowski zuversichtlich. „Dadurch entstehen neue Wachstumschancen.“ Ein Großgesuch, das den Nürnberger Markt lange beschäftigt hatte, ist mit dem Wechsel an der Behördenspitze offiziell zurückgezogen worden: Die Bundesanstalt für Arbeit wollte viele Nürnberger Standorte zusammenlegen. „Es wurde auf der Zielgeraden gestoppt“, sagt Stefan Wiegand, Geschäftsführer Region Süd von Aurelis Real Estate. Aber da die Mitarbeiter in Büros sitzen, die alles andere als modern seien, „werden sie sich um Flächen kümmern müssen“, erwartet er. Wer moderne Flächen anzubieten hat, findet aber auch heute noch Mieter. „Im Seetor sind wir nahezu voll vermietet“, berichtet Sven Sontowski. Und auch das Hochhausprojekt The One im Stadtteil Thon, dessen 10.000 Quadratmeter Fläche im Jahr 2025 bezugsfertig werden, „ist zu knapp 70 Prozent vermietet.“

„Das Bauträgergeschäft ist in der Breite ausgetrocknet“

Eine dicke Bremsspur zieht sich auch durch den Wohnungsmarkt. „Das Bauträgergeschäft ist in der Breite weitgehend ausgetrocknet“, berichtet Miguel Soto Palma aus der Perspektive desjenigen, der Finanzierungen vergibt. „Auch für das zweite Halbjahr 2023 sehe ich keine nennenswerten Transaktionen.“ Entwickler und Investoren warten – beim Wohnen ebenso wie bei Büros – auf ein neues Preisniveau und auf Opportunitäten. Die sieht er beispielsweise bei Mehrfamilienhäusern im Bestand, deren Preise bereits stark gesunken seien. Was vor zwei Jahren noch 2.500 bis 3.000 Euro pro Quadratmeter kostete, sei heute für etwa 1.500 bis 2.000 Euro zu haben. „Wenn man heute attraktiv einsteigt und bei den energetischen Themen kompetent ist, ergibt sich ein hohes Wertschöpfungspotenzial.“ So sieht das auch Asmus von Eyb insbesondere bei Wohnungen in den C-Städten der Region wie Bayreuth oder Coburg. „Dort gibt es leistbare Mieten, und der Cashflow ist vorhanden“, erläutert er. Wer diese Objekte energetisch saniere, könne die Nebenkosten senken und die Mieten, die heute teils noch unter sieben Euro liegen, erhöhen, wobei die Warmmieten dennoch weitgehend stabil blieben.

Generell bevorzugt Pegasus momentan Bestandsobjekte, die dann bundesweit vertrieben würden. Bei Eigentumswohnungen im Neubau werden in Nürnberg in guten Lagen bis zu 8.000 Euro pro Quadratmeter bezahlt. „Aber es geht nicht mehr uferlos nach oben“, sagt Andreas Zeitler. Im Gegenzug seien in Einzelfällen Neubauwohnungen in der Südstadt oder im Umland für 5.000 Euro zu bekommen. Preisnachlässe seien derzeit nicht notwendig, meint Zeitler: „Entweder hat jemand Kaufinteresse oder nicht, der Preis ist dabei nicht das Thema.“ Die Angebots preise liegen in Erlangen bei etwa 8.000 Euro pro Quadratmeter, in Fürth bei 6.300 und in Herzogenaurach bei 5.900 Euro. Private und institutionelle Käufer halten sich – wie überall in Deutschland – zurück.„Wir starten aber weiterhin Projekte, denn der Bedarf an Wohnraum bleibt groß“, unterstreicht Zeitler. „Wir bauen weiter und schieben alle Baugenehmigungen an, die gehen“, bekräftigt auch Eva-Maria Zurek, CEO der P&P Gruppe. Die Resonanz der Kunden sei „selektiv“, das Eigenkapital der Käufer spiele eine wesentliche Rolle. Sven Sontowski ist froh, dass sein Unternehmen mit dem Seetor auf eine Quartiersentwicklung mit Wohnungen gesetzt hat. „In wenigen Jahren werden wieder alle auf den Wohnungsmarkt strömen.“ In Lichtenreuth vermarktet Aurelis weiterhin Baufelder für Wohnungen. „Uns liegen vor allem Gebote für Baufelder im Bereich geförderter Mietwohnungsbau vor“, präzisiert Stefan Wiegand. Beim Bamberger Projekt der P&P Group auf dem Areal der ehemaligen Lagarde-Kaserne zeigt sich, dass Drei- und Vier- Zimmer-Wohnungen besonders gefragt sind. „Wir sehen eine große Nachfrage von älteren Menschen, die ihre Wohnfläche verkleinern wollen“, erläutert Eva-Maria Zurek. Dazu komme, dass Eigentumswohnungen in Bamberg generell rar seien.

Das Preisniveau liegt bei rund 5.500 Euro pro Quadratmeter. Auch Instone hat dort gerade mit dem Bau von 150 Wohnungen
begonnen. Auf die Nürnberger Innenstadt blickt die Runde mit Sorge. Der City Point steht leer, der Kaufhof gegenüber hat Ausverkauf. „In der Breiten Gasse bis zum Weißen Turm liegt der Leerstand bei ungefähr 30 Prozent“, berichtet Miguel Soto Palma. Das Hotelprojekt von Newport hat im Juni Insolvenz angemeldet, und H&M zieht um in die Karolinenstraße. Soto Palma regt an: „Die Stadt sollte weitere Impulse setzen.“ „Es geht nicht nur um die Breite Gasse, es geht um die ganze Kern-Innenstadt“, unterstreicht Asmus von Eyb. Dagegen gibt die Südstadt Anlass zur Hoffung: „Das Schocken-Carré ist ein Impulstreiber und trägt zur Belebung bei“, so Soto Palma.

Nürnbergs Norden und Westen im Wachstum

Im Nürnberger Norden wird nicht nur der neue Standort der Friedrich- Alexander-Universität Akzente setzen. „Er war schon immer eine gefragte Wohnlage, und er wird von den aktuellen Entwicklungen profitieren“, erwartet Andreas Zeitler. Dazu zählt das S&P-Projekt „The One“ ebenso wie das Quartier rund um den neuen Standort der Umweltbank am Nordwestring.
Ein großes Projekt am Nordrand der Stadt in Richtung Erlangen ist das ehemalige Hefewerk im Stadtteil Buch. Coloured Fields plant dort auf rund elf Hektar ein Quartier mit Wohnungen in Bestandsgebäuden und Neubauten. „Es soll die neue Ortsmitte für Buch an der Endhaltestelle der Straßenbahn werden“, erläutert Bertram Schultze. „Die Metropolregion wächst weiter zusammen“, resümiert Asmus von Eyb. Auch in Richtung Fürth verändert sich die Stadt gerade grundlegend. Auslöser ist das Großprojekt „The Q“ der Gerchgroup, das ehemalige Quelle-Versandzentrum. Dass die Nürnberger Stadtverwaltung dort einziehen wird, ist klar und wird nicht nur das unmittelbare Umfeld, sondern auch die Achse, die sich nach Fürth verlängert, beeinflussen. Aus dieser Sicht sagt Eva-Maria Zurek: „Wir finden es sehr gut, was dort passiert. Es wird einen positiven Einfluss haben, denn die beiden Städte sind auch durch die U-Bahn eng miteinander verbunden.“ „Wie geht es weiter mit der wohnwirtschaftlichen Nutzung? Es sind immerhin über 1.000 Wohneinheiten in drei Bauabschnitten geplant.“ Dies ist eine Frage, die Miguel Soto Palma beschäftigt. Dank der Denkmal-AfA „wird der Wohnungsbau kommen“, ist Wolfgang P. Küspert überzeugt. Er hebt hervor, dass die Einzelhandelsflächen bereits langfristig vermietet sind und ein Foodcourt geplant ist. „Das Quartier hat eine große Chance, zum Pilgerort für Architektur- und Projektentwicklungsfans zu werden“, erwartet Schultze. Und das gilt nicht nur für The Q, sondern auch für ein Objekt mit einer problematischen Historie: der Kongresshalle auf dem Reichsparteitagsgelände. „Ihre Revitalisierung wird eine überregionale Strahlkraft entwickeln, wenn sie gut gemacht wird.“

Quelle: “Vorsprung durch Bildung” – Roswitha Loibl, Referat für Wirtschaft, Wissenschaft, Stadtentwicklung und Liegenschaften Amt für Wirtschaft der Stadt Fürth, 17.08.2023